Stefan König: Ein Buch, das den Kopf frei macht

(Vorweg: Meine Buch­re­zen­sion bezieht sich auf die aktu­elle, 6. Aus­gabe dieses Werks. Es ist schade, dass Amazon die lesens­wer­ten Kom­men­tare der Vor­gän­ger­ver­sion nicht auto­ma­tisch mit dieser Aus­gabe ver­knüpft. Ich emp­fehle, die Kom­men­tare zur 5. Aus­gabe den­noch zu lesen, da die 6., erwei­terte Aus­gabe im Grund­satz natür­lich das glei­che Buch ist und sich alles dort Gesagte auch auf die 6. Aus­gabe über­tra­gen lässt.)

Alle Men­schen reden immer wieder über Gott und die Welt. Das scheint ein Natur­ge­setz zu sein. Uwe Leh­nert, Hoch­schul­pro­fes­sor im Unru­he­stand, hat sich selbst ein Her­zens­buch geschrie­ben, nach­dem er sein Leben lang wis­sen­schaft­lich gear­bei­tet und publi­ziert hat. Auch er redet darin über Gott und die Welt. Das allein wäre banal und nicht der Rede wert, weil es ja jeder tut.

»Warum ich kein Christ sein will« aber stellt in aller Beschei­den­heit und ohne großes Sen­dungs­be­wusst­sein das gesam­melte Wissen eines bil­dungs­hung­ri­gen Men­schen zum Thema Gott und die Welt zusam­men, sach­lich, seriös, aber in für jeder­mann ver­ständ­li­cher Spra­che. Er will nie­man­den bekeh­ren, son­dern erzählt seine Geschichte. Und diese Geschichte liest sich span­nend. Sie führt uns auf eine Reise in den Kosmos, beschreibt uns die wun­der­bare Natur und die atem­be­rau­bend span­nende Welt der Wis­sen­schaft, die nie­mals den Anspruch erhebt, fer­tige Ant­wor­ten zu geben oder unum­stöß­li­che Erkennt­nisse zu lie­fern. Leh­nert lädt uns ein, ihm zuzu­schauen, wie er noch einmal die Reise durch sein eige­nes Leben macht, um mit­zu­er­le­ben, wie es kam, dass er sich ent­schloss, kein Christ mehr sein zu wollen.

Er ist sich bewusst, dass sein Buch pola­ri­sie­ren kann, weil er weiß, dass gläu­bige Men­schen oft mit Ableh­nung reagie­ren, wenn man ihren Glau­ben infrage stellt. So finden sich in bis­he­ri­gen Kri­ti­ken zu seinem Buch auch nur ent­we­der umfas­sende Zustim­mung oder totale Ableh­nung. Letz­te­rer fehlt es meist an Sub­stanz, da es schwer ist, Leh­nerts quasi voll­stän­di­ger Beschrei­bung des natu­ra­lis­ti­schen Welt­bilds auf der Basis des aktu­el­len Wis­sens der Welt etwas entgegenzuhalten.

Was mir am meis­ten an diesem Buch gefällt, ist die Ein­la­dung an uns, ihn auf seiner Reise bis zu seinem Fazit zu beglei­ten. Er hebt keinen mah­nen­den Zei­ge­fin­ger und stellt sich nicht über andere. Jeder soll für sich selbst ent­schei­den, ob Reli­gion und Glaube für ihn das Rich­tige ist, oder ob er sich lieber auf seinen eige­nen Ver­stand ver­las­sen und die Fas­zi­na­tion unse­rer Welt unmit­tel­bar erle­ben möchte. Er zeigt ein­drück­lich, dass “her­kömm­li­cher Got­tes­glaube und christ­li­che Lehre sich damit nicht mehr ver­ein­ba­ren lassen”.

Früh im Buch erfah­ren wir, dass er erst spät (mit 16) kon­fir­miert wurde und schon als Stu­dent aus der Kirche wieder aus­trat. Doch wir alle leben nicht im luft­lee­ren Raum und reden eben immer wieder über Gott und die Welt. Es könnte sein, dass es in einer Welt, die keine Reli­gio­nen mehr hat, anders wäre. Aber auch in Deutsch­land sind noch immer ca. 60 Pro­zent der Men­schen Mit­glied einer christ­li­chen Kirche. Die Zahl der Men­schen, die sich von Reli­gion los­sa­gen oder ganz ohne reli­giöse Glau­bens­bin­dung auf­wach­sen, wächst aller­dings stetig. Viele Men­schen sind auf der Suche nach fun­dier­ten Argu­men­ten, warum sie keine Chris­ten mehr sein wollen. Es ist ja ein wenig wie die Suche nach Argu­men­ten, mit dem Rau­chen auf­zu­hö­ren. Wel­ches Argu­ment ist mein Argu­ment, was über­zeugt mich ganz per­sön­lich? Uwe Leh­nert lie­fert ein ganzes Kalei­do­skop an Argu­men­ten; wir müssen nur lesen, ver­ste­hen und uns das für uns per­sön­lich Rich­tige aus­su­chen. Dann können wir uns per­sön­lich ent­schei­den, ob wir weiter glau­ben oder uns selbst ver­trauen wollen.

Ein Buch, das den Kopf frei macht.

PS: Die Rezen­sion erfolgt nicht unter meinem Klar­na­men, da ich ein bekann­ter Poli­ti­ker bin. Ein Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ger von mir sorgt sich, durch die Rezen­sion um seinen Arbeits­platz in einem kirch­li­chen Unter­neh­men bangen zu müssen.