(Vorweg: Meine Buchrezension bezieht sich auf die aktuelle, 6. Ausgabe dieses Werks. Es ist schade, dass Amazon die lesenswerten Kommentare der Vorgängerversion nicht automatisch mit dieser Ausgabe verknüpft. Ich empfehle, die Kommentare zur 5. Ausgabe dennoch zu lesen, da die 6., erweiterte Ausgabe im Grundsatz natürlich das gleiche Buch ist und sich alles dort Gesagte auch auf die 6. Ausgabe übertragen lässt.)
Alle Menschen reden immer wieder über Gott und die Welt. Das scheint ein Naturgesetz zu sein. Uwe Lehnert, Hochschulprofessor im Unruhestand, hat sich selbst ein Herzensbuch geschrieben, nachdem er sein Leben lang wissenschaftlich gearbeitet und publiziert hat. Auch er redet darin über Gott und die Welt. Das allein wäre banal und nicht der Rede wert, weil es ja jeder tut.
»Warum ich kein Christ sein will« aber stellt in aller Bescheidenheit und ohne großes Sendungsbewusstsein das gesammelte Wissen eines bildungshungrigen Menschen zum Thema Gott und die Welt zusammen, sachlich, seriös, aber in für jedermann verständlicher Sprache. Er will niemanden bekehren, sondern erzählt seine Geschichte. Und diese Geschichte liest sich spannend. Sie führt uns auf eine Reise in den Kosmos, beschreibt uns die wunderbare Natur und die atemberaubend spannende Welt der Wissenschaft, die niemals den Anspruch erhebt, fertige Antworten zu geben oder unumstößliche Erkenntnisse zu liefern. Lehnert lädt uns ein, ihm zuzuschauen, wie er noch einmal die Reise durch sein eigenes Leben macht, um mitzuerleben, wie es kam, dass er sich entschloss, kein Christ mehr sein zu wollen.
Er ist sich bewusst, dass sein Buch polarisieren kann, weil er weiß, dass gläubige Menschen oft mit Ablehnung reagieren, wenn man ihren Glauben infrage stellt. So finden sich in bisherigen Kritiken zu seinem Buch auch nur entweder umfassende Zustimmung oder totale Ablehnung. Letzterer fehlt es meist an Substanz, da es schwer ist, Lehnerts quasi vollständiger Beschreibung des naturalistischen Weltbilds auf der Basis des aktuellen Wissens der Welt etwas entgegenzuhalten.
Was mir am meisten an diesem Buch gefällt, ist die Einladung an uns, ihn auf seiner Reise bis zu seinem Fazit zu begleiten. Er hebt keinen mahnenden Zeigefinger und stellt sich nicht über andere. Jeder soll für sich selbst entscheiden, ob Religion und Glaube für ihn das Richtige ist, oder ob er sich lieber auf seinen eigenen Verstand verlassen und die Faszination unserer Welt unmittelbar erleben möchte. Er zeigt eindrücklich, dass “herkömmlicher Gottesglaube und christliche Lehre sich damit nicht mehr vereinbaren lassen”.
Früh im Buch erfahren wir, dass er erst spät (mit 16) konfirmiert wurde und schon als Student aus der Kirche wieder austrat. Doch wir alle leben nicht im luftleeren Raum und reden eben immer wieder über Gott und die Welt. Es könnte sein, dass es in einer Welt, die keine Religionen mehr hat, anders wäre. Aber auch in Deutschland sind noch immer ca. 60 Prozent der Menschen Mitglied einer christlichen Kirche. Die Zahl der Menschen, die sich von Religion lossagen oder ganz ohne religiöse Glaubensbindung aufwachsen, wächst allerdings stetig. Viele Menschen sind auf der Suche nach fundierten Argumenten, warum sie keine Christen mehr sein wollen. Es ist ja ein wenig wie die Suche nach Argumenten, mit dem Rauchen aufzuhören. Welches Argument ist mein Argument, was überzeugt mich ganz persönlich? Uwe Lehnert liefert ein ganzes Kaleidoskop an Argumenten; wir müssen nur lesen, verstehen und uns das für uns persönlich Richtige aussuchen. Dann können wir uns persönlich entscheiden, ob wir weiter glauben oder uns selbst vertrauen wollen.
Ein Buch, das den Kopf frei macht.
PS: Die Rezension erfolgt nicht unter meinem Klarnamen, da ich ein bekannter Politiker bin. Ein Familienangehöriger von mir sorgt sich, durch die Rezension um seinen Arbeitsplatz in einem kirchlichen Unternehmen bangen zu müssen.