Uwe Lehnerts Buch fällt zunächst durch seinen Umfang auf. Man ahnt, das ist mehr als das Bekenntnis, das der Titel verspricht. Schon das Stichwortverzeichnis verrät eine fast enzyklopädische Sichtweise auf die Themen Wissenschaft, Vernunft und Religion. Als Fundament seiner Überzeugung beschreibt Lehnert das, was er sein »naturalistisches Weltbild« bezeichnet. Wir werden, ausgehend von erkenntnistheoretischen Überlegungen, in die Welt der Physik bis hin zu den Geheimnissen der Quantenphysik und den Prinzipien der Evolution geführt. Dieses »naturalistische« Weltbild ist für Lehnert unvereinbar mit den alttestamentlichen Mythen. Das historische moralische Versagen der Institution Kirche und das Theodizeeproblem, die »Rechtfertigung« des als »allmächtig« und »gütig« definierten Christengottes, bestätigen ihn zusätzlich in seiner Ablehnung eines Mythos, der sich mit heutigen Wertvorstellungen nicht vereinen lässt. Die Beispiele aus dem Alten Testament sind wie manch andere Ausführungen und Zitate etwas üppig ausgefallen, aber das ist Lehnerts Versuch, die Dinge möglichst detailreich darzustellen, zuzuschreiben. Und wenn er fragwürdige, bisweilen widersprüchliche Äußerungen der Gegenseite kritisiert, dann nennt er auch »Ross und Reiter«. Auch wenn man nicht in jedem Punkt seiner Meinung sein muss, so bekommt man doch rational begründete, überlegenswerte Argumente angeboten. Ausgesprochen sympathisch erscheint mir seine tolerante Haltung gegenüber gläubigen Menschen »guten Willens«. Er beurteilt sie nicht nach ihrem in seinen Augen illusionären Glauben, sondern nach ihrem sozialen Verhalten. Das zeugt von einem Einfühlungsvermögen, das manchem Humanisten mit arrogant-polemischem Habitus nicht gegeben ist. Auch lässt er im Wissen um die Vorläufigkeit aller Erkenntnisse die Tür für, seiner Meinung nach, bisher »noch nicht Erklärliches« einen Spalt weit offen. Neben seinem persönlichen diesseitsorientierten Ethik- und Sinnangebot übt er auch deutliche Kritik an Medien und Politik, die einerseits den säkularen Organisationen wenig Präsenz und Gestaltungsraum bieten und andererseits nicht genügend Widerstand leisten gegenüber Tendenzen eines Islam, der mit dem Anspruch auf Religionsfreiheit unser säkulares Wertesystem infrage stellt. In seiner abschließenden Zukunftsvision scheint mir Lehnert mit seiner »transhumanistischen« Hoffnung auf ein von allen Übeln erlöstes irdisches Paradies ungewollt in das Fahrwasser der klassischen Heilsmythen geraten zu sein. Aber dieser »utopische Optimismus« sei ihm verziehen.
Für wen ist das Buch geschrieben? Sicher nicht für, wie er sie nennt, »Traditionschristen«. Ihnen ist mit rationalen Argumenten ebenso wenig beizukommen wie den professionell gläubigen Kirchenvertretern. das weiß Lehnert. Sein Buch kann eine Selbstvergewisserung für Gleichgesinnte sein und für Menschen, die ihre intuitive Abkehr vom Glauben reflektiert nachvollziehen möchten. Auch den Zweifelnden, ängstlich Unentschlossenen kann es helfen, den letzten Schritt zu gehen und sich von der Last eines Glaubens, der sie nicht mehr überzeugt, zu befreien. Informativ und lehrreich, schnörkellos und verständlich formuliert, immer rational begründet und mit persönlichem Engagement geschrieben, ist es jedem weltanschaulich Interessierten als »sehr lesenswert« zu empfehlen.
Rezension zu dem Buch “Warum ich kein Christ sein will – Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung”.