Thomas E.: Überzeugend begründete Abkehr vom Christentum

Uwe Leh­nerts Buch fällt zunächst durch seinen Umfang auf. Man ahnt, das ist mehr als das Bekennt­nis, das der Titel ver­spricht. Schon das Stich­wort­ver­zeich­nis verrät eine fast enzy­klo­pä­di­sche Sicht­weise auf die Themen Wis­sen­schaft, Ver­nunft und Reli­gion. Als Fun­da­ment seiner Über­zeu­gung beschreibt Leh­nert das, was er sein »natu­ra­lis­ti­sches Welt­bild« bezeich­net. Wir werden, aus­ge­hend von erkennt­nis­theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen, in die Welt der Physik bis hin zu den Geheim­nis­sen der Quan­ten­phy­sik und den Prin­zi­pien der Evo­lu­tion geführt. Dieses »natu­ra­lis­ti­sche« Welt­bild ist für Leh­nert unver­ein­bar mit den alt­tes­ta­ment­li­chen Mythen. Das his­to­ri­sche mora­li­sche Ver­sa­gen der Insti­tu­tion Kirche und das Theo­di­ze­e­pro­blem, die »Recht­fer­ti­gung« des als »all­mäch­tig« und »gütig« defi­nier­ten Chris­ten­got­tes, bestä­ti­gen ihn zusätz­lich in seiner Ableh­nung eines Mythos, der sich mit heu­ti­gen Wert­vor­stel­lun­gen nicht ver­ei­nen lässt. Die Bei­spiele aus dem Alten Tes­ta­ment sind wie manch andere Aus­füh­run­gen und Zitate etwas üppig aus­ge­fal­len, aber das ist Leh­nerts Ver­such, die Dinge mög­lichst detail­reich dar­zu­stel­len, zuzu­schrei­ben. Und wenn er frag­wür­dige, bis­wei­len wider­sprüch­li­che Äuße­run­gen der Gegen­seite kri­ti­siert, dann nennt er auch »Ross und Reiter«. Auch wenn man nicht in jedem Punkt seiner Mei­nung sein muss, so bekommt man doch ratio­nal begrün­dete, über­le­gens­werte Argu­mente ange­bo­ten. Aus­ge­spro­chen sym­pa­thisch erscheint mir seine tole­rante Hal­tung gegen­über gläu­bi­gen Men­schen »guten Wil­lens«. Er beur­teilt sie nicht nach ihrem in seinen Augen illu­sio­nä­ren Glau­ben, son­dern nach ihrem sozia­len Ver­hal­ten. Das zeugt von einem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, das man­chem Huma­nis­ten mit arro­gant-pole­mi­schem Habi­tus nicht gege­ben ist. Auch lässt er im Wissen um die Vor­läu­fig­keit aller Erkennt­nisse die Tür für, seiner Mei­nung nach, bisher »noch nicht Erklär­li­ches« einen Spalt weit offen. Neben seinem per­sön­li­chen dies­seits­ori­en­tier­ten Ethik- und Sinn­an­ge­bot übt er auch deut­li­che Kritik an Medien und Poli­tik, die einer­seits den säku­la­ren Orga­ni­sa­tio­nen wenig Prä­senz und Gestal­tungs­raum bieten und ande­rer­seits nicht genü­gend Wider­stand leis­ten gegen­über Ten­den­zen eines Islam, der mit dem Anspruch auf Reli­gi­ons­frei­heit unser säku­la­res Wer­te­sys­tem infrage stellt. In seiner abschlie­ßen­den Zukunfts­vi­sion scheint mir Leh­nert mit seiner »trans­hu­ma­nis­ti­schen« Hoff­nung auf ein von allen Übeln erlös­tes irdi­sches Para­dies unge­wollt in das Fahr­was­ser der klas­si­schen Heils­my­then gera­ten zu sein. Aber dieser »uto­pi­sche Opti­mis­mus« sei ihm verziehen.

Für wen ist das Buch geschrie­ben? Sicher nicht für, wie er sie nennt, »Tra­di­ti­ons­chris­ten«. Ihnen ist mit ratio­na­len Argu­men­ten ebenso wenig bei­zu­kom­men wie den pro­fes­sio­nell gläu­bi­gen Kir­chen­ver­tre­tern. das weiß Leh­nert. Sein Buch kann eine Selbst­ver­ge­wis­se­rung für Gleich­ge­sinnte sein und für Men­schen, die ihre intui­tive Abkehr vom Glau­ben reflek­tiert nach­voll­zie­hen möch­ten. Auch den Zwei­feln­den, ängst­lich Unent­schlos­se­nen kann es helfen, den letz­ten Schritt zu gehen und sich von der Last eines Glau­bens, der sie nicht mehr über­zeugt, zu befreien. Infor­ma­tiv und lehr­reich, schnör­kel­los und ver­ständ­lich for­mu­liert, immer ratio­nal begrün­det und mit per­sön­li­chem Enga­ge­ment geschrie­ben, ist es jedem welt­an­schau­lich Inter­es­sier­ten als »sehr lesens­wert« zu empfehlen.

Rezen­sion zu dem Buch “Warum ich kein Christ sein will – Mein Weg vom christ­li­chen Glau­ben zu einer natu­ra­lis­tisch-huma­nis­ti­schen Welt­an­schau­ung”.