Auszüge aus dem einleitenden Kapitel
Dieses Buch ist hervorgegangen aus persönlichen Aufzeichnungen und Materialien, die ich über viele Jahre gesammelt habe. Ich wollte mir im Sinne einer kritischen Selbstvergewisserung Klarheit verschaffen über einige mich seit Jahrzehnten bewegende Fragen – soweit es mir jedenfalls mit meinen Mitteln möglich war und soweit das überhaupt erreichbar ist. Zu diesen Fragen gehören jene nach dem Stellenwert von Wissenschaft, speziell von Naturwissenschaft, für unser Leben, insbesondere der Geltung ihrer Erkenntnisse für Gestaltung und Deutung unseres Daseins. Es geht um Fragen nach unserer Stellung und Bedeutung im Kosmos, nach der möglichen Existenz Gottes und ob der Gott, der in der Bibel beschrieben wird, für uns heutige Menschen so überhaupt »glaubwürdig« sein kann. Ich frage mich, warum so viele Menschen an Dinge glauben, die so offensichtlich – oder doch nur scheinbar? – im Widerspruch zu Vernunft und Wissen stehen. Auch versuche ich, eine mich überzeugende, sprich »vernünftige« Antwort nach dem Sinn des und auch meines Lebens zu finden. Nicht zuletzt bewegt mich die nur scheinbar akademische Frage, ob wir über einen freien Willen verfügen, der es uns erlaubt, wirklich Herr unserer Entscheidungen zu sein und damit für alles, was wir in diesem Leben tun oder lassen, so Verantwortung zu übernehmen, wie es zum Beispiel das Strafrecht oder christlicher Glaube von uns verlangen.
Ich habe also über mein Dasein nachgedacht, über die Fragen, warum ich, warum wir hier auf dieser Erde sind und ob wir jemals fähig sein werden, uns und das uns umgebende Universum zu begreifen? Über diese Dinge habe ich zeitlebens – in manchen Lebensphasen mehr, in anderen weniger – versucht, mir Einsicht, Klarheit, ja möglichst Gewissheit zu verschaffen. So wie es ungezählte andere Menschen auch taten und wohl immer tun werden. Eine ganz zentrale Rolle spielt dabei natürlich die philosophische beziehungsweise erkenntnistheoretische Frage, wieweit wir überhaupt in der Lage sind, verlässliche Erkenntnisse über uns und die Welt zu erlangen. In diesem Buch versuche ich, die mir wesentlich erscheinenden Überlegungen, Einsichten und Überzeugungen zu den genannten Fragenkomplexen zusammenfassend darzustellen und mich dabei der Gültigkeit, zumindest Plausibilität der Antworten so weit wie möglich zu vergewissern.
Es geht um nichts Geringeres als um die Wesensfragen unserer Existenz hier auf dieser Erde, die sich so viele andere Menschen vor mir auch schon gestellt haben: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Worauf können wir hoffen? Wer will ich sein, wer sollte ich sein? Wer oder was gibt dem Ganzen einen Sinn? Das intensive Suchen nach Antworten, ja möglichst Gewissheit in diesen existenziellen Fragen drückte sich in der Phase des Abiturs in dem ernsthaften Wunsch aus, Theologie zu studieren. Die Ahnung, dass dies für mich zu keinem guten Ende führen würde, ließ diese Absicht aber wieder in den Hintergrund treten. Die damals verdrängte Frage nach meiner Einstellung zu Christentum und Kirche ist für mich nach dem Ende meines Berufslebens wieder bedeutsam geworden und wird ein zentrales Thema dieses Buches sein. Ich versuche, vor mir zu begründen und möchte anderen erklären können, warum ich kein Christ sein kann und auch nicht sein will.
Meine Ansichten und Bekenntnisse in diesem Buch gründen auf der Überzeugung, dass es richtig und vernünftig ist, soweit es irgend möglich ist, sich seines Verstandes zu bedienen. Weder kirchlicher Glaube noch persönliche Erleuchtung anderer – und seien diese für den Betroffenen noch so bedeutsam und wegweisend – können für mich Richtschnur meines Denkens sein. Auch will ich mich nicht von der Künstlichkeit und Konstruiertheit christlicher Theologie vereinnahmen lassen. Das, was heutige Wissenschaft, insbesondere meine ich damit die Naturwissenschaften, als derzeit gesicherte Erkenntnis ansieht, ist für mich zunächst einmal maßgebend und Basis für alle weiteren Überlegungen. Vor allem ist es die streng logische und systematische Denkweise der heutigen Naturwissenschaften und ihre empirische Verankerung, die ich mir zum Vorbild genommen habe. Nur diese Denk- und Forschungsmethodik hat die faszinierenden Erfolge der Astronomie, der Physik, der Biologie oder beispielsweise der Medizin ermöglicht. Nur Logik und Empirie sind meines Erachtens in der Lage, verlässliche Erkenntnisse über unsere Welt zu gewinnen. Dabei ist mir sehr wohl bewusst, dass es Bereiche gibt, über die die Wissenschaft prinzipiell nichts sagen kann. Und ich verkenne auch nicht, dass unsere Einsichtsfähigkeit immer auch zeitbedingte und vermutlich wohl auch prinzipielle Grenzen hat. Dennoch bilden nach meiner Überzeugung rational-logisches Denken und naturwissenschaftlich erarbeitetes Wissen die sicherste und intellektuell befriedigendste Basis für unser Denken und Handeln. Denn worüber man nichts Begründetes sagen kann, kann man allenfalls spekulieren.
Sich seines Denkvermögens zu bedienen, heißt deshalb für mich, nichts zu »glauben«, was dem Verstand und wissenschaftlicher Erkenntnis eindeutig widerspricht. Zwar kann auch Wissenschaft nicht alles erklären, aber Glaube erklärt gar nichts. Damit möchte ich religiösen Gedanken nicht von vornherein ihre Berechtigung absprechen, aber feststellen, dass der Glaube zum Verständnis unserer Welt meines Erachtens nichts beiträgt. Auch bin ich überzeugt, dass über den eigentlichen Gegenstand des Glaubens mit den Mitteln des Verstandes nichts »Vernünftiges« im Sinne von »der Vernunft zugänglich« gesagt werden kann. Wohl aber sollte es statthaft sein, über logische Widersprüche innerhalb einer Glaubenslehre und zwischen Glaubenslehre und erlebter Wirklichkeit – jedenfalls wenn sich ihre Aussagen auf das so genannte Diesseits beziehen – kritisch nachzudenken.
…
Dieses Buch soll und kann keine erschöpfende Behandlung der aufgeworfenen Fragen darstellen. Ich habe die Probleme so weit diskutiert, bis ich – ich betone: ich – das Gefühl hatte, für mich befriedigende und überzeugende Antworten gefunden zu haben. Dazu habe ich die Argumente – klassische, neuere sowie von mir entwickelte – zusammengetragen, die mir am einleuchtendsten erschienen und dem entgegenkommen, was man den erwähnten »gesunden Menschenverstand« nennt.
Noch einmal sei es deshalb gesagt: Das Buch wendet sich nicht an den Philosophen und Theologen beziehungsweise Religionswissenschaftler und will nicht die aktuellen Kontroversen zwischen ihnen aufgreifen. In meiner Auseinandersetzung mit Kirche und Christentum wird deshalb so manches Argument auftauchen, das dem Fachmann wohlbekannt ist und ihn daher nicht mehr beeindrucken wird. Für mich und den von mir angesprochenen Leser verliert ein solches Argument dadurch aber keinesfalls an Bedeutung. Ein Argument büßt ja nicht dadurch an Überzeugungskraft ein, wenn es – wie in Diskussionen oft üblich – mit einer abwertenden Handbewegung als »altbekannt« abqualifiziert wird. Entscheidend bleibt sein argumentativer Gehalt, seine logische, empirische oder historische Substanz.
Mein gedachter Leser ist der »normale« Mitmensch, dessen alltägliches Denken um die Bewältigung seines »normalen« Lebens kreist, den aber von Zeit und zu Zeit und im Alter zunehmend auch religiöse beziehungsweise weltanschauliche Fragen beschäftigen. Ihn interessieren dabei weniger akademische Auseinandersetzungen um biblische Textinterpretationen oder zum Beispiel diffizile theologische Probleme etwa der Wiedervereinigung von katholischer und evangelischer Kirche. Vielmehr möchte er Antworten haben auf Fragen wie etwa: Was bedeutet mir eigentlich der christliche Glaube, passen dessen Kernaussagen und heutiges Weltverständnis überhaupt noch zusammen, was kann und soll ich eigentlich glauben?
Das Buch wendet sich an Leser, die eine zusammenfassende Darstellung von Argumenten gegen den christlich-kirchlichen Glauben und Gedanken und Entwürfe für ein alternatives Weltbild suchen. Ich möchte ihnen die Furcht vor dem Abschied vom Glauben nehmen und zeigen, dass man auch ohne diese Illusion ein erfülltes und moralisch untadeliges Leben führen kann. Die Zahl der Menschen mit einer kritischen bis ablehnenden Einstellung zu Kirche und Christentum ist viel größer, als es Politik und veröffentlichte Meinung wahrhaben wollen.