In den nächsten Wochen soll auf meiner Facebookseite eine Auseinandersetzung mit der christlichen Religion stattfinden. Es sollen hierbei jedoch keine ausgesprochen theologischen oder tiefschürfenden philosophischen Argumente zur Sprache kommen. Es wird weitgehend nur auf Allgemeinwissen, auf die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zurückgegriffen, und es wird schlichter gesunder Menschenverstand bemüht werden. Ziel ist es, für die alltägliche Diskussion mit Christen – seien sie gläubig, zweifelnd oder nur noch formales Kirchenmitglied – einfache aber schwerlich zu widerlegende Argumente zur Verfügung zu stellen.
Absicht dieser mehrwöchigen Reihe von kritischen Fragen an die christliche Lehre ist es aufzuzeigen, wie oft Gottesglauben und biblische Lehre, wie überhaupt Religionen allgemein, mit Logik, Erfahrung, Wissenschaft und Moral im Widerspruch stehen. Das Ziel ist es dagegen nicht, Menschen, die das ausgesprochene spirituelle Bedürfnis nach einer transzendenten Macht haben, die ihnen Schutz und Trost verheißt, ihre Religion ausreden zu wollen. Allenfalls ist daran gedacht, sie mit Fragen zu konfrontieren, die sie vielleicht zum Nachdenken anregen könnten.
Die Idee ist, ein kleines Kompendium schlüssiger Argumente wider die christliche Religion, wie meist Religion überhaupt, anzubieten, um bei Gelegenheit besser mit Argumenten gewappnet zu sein, warum man dieser Lehre skeptisch bis ablehnend gegenüber steht.
Es wird in den nächsten sieben Wochen um folgende Themenkreise gehen:
- Auffällige und offenkundige Ungereimtheiten: Als erstes sollen ein paar Gedanken vorgetragen werden, die einem nachdenkenden Menschen spontan kommen können, und die in ihm erste Zweifel an Gott, Bibel und Kirche wecken können. Und das ohne irgendwie Wissenschaft oder Moral zu bemühen.
- Wissenschaftliche Argumente: Welche bekannten wissenschaftlichen Argumente sprechen gegen grundlegende Aussagen der Bibel und auch gegen die Existenz eines Gottes? Es wird sich dabei nicht um komplizierte Theorien handeln. Es geht dabei um heute allgemein anerkannte, prinzipielle Einsichten in die Natur von Mensch und Welt, die im Widerspruch zu biblischen Aussagen und zu glaubenden Dogmen stehen.
- Moralische Argumente: Die Bibel, aber vor allem die Geschichte des Christentums und der Kirche lassen an der Moral dieser Lehre und ihrer Repräsentanten starke Zweifel aufkommen. Bibel und christliche Lehre haben sich jedenfalls nicht als Bollwerk gegen die Verbrechen erwiesen, die über die Jahrtausende im Namen des Christentums von ihren Repräsentanten bis in unsere jüngste Geschichte begangen wurden.
- Gotteserfahrung als »Beweis«: Hier soll erläutert werden, warum sog. Gotteserfahrungen nur persönliche Erfahrungen sind, die nicht auf andere Personen übertragbar sind und daher keine allgemein gültigen und überzeugenden Argumente für den Glauben an Gott darstellen können.
- Motive, trotz fehlenden Glaubens in der Kirche zu bleiben: Die Frage ist, welche Motive haben diese Menschen, was hält sie trotz Glaubensverlust in der Kirche? Schließlich täuschen nichtgläubige Kirchenmitglieder, die es in sehr großer Zahl gibt, eine höhere Gläubigkeit in der Bevölkerung vor.
- Meine naturalistisch-humanistische Alternative: Ich habe in den Folgen 1 bis 4 mir wesentlich erscheinende Gesichtspunkte gegen die christliche Lehre zusammengetragen. Nicht zuletzt diese Überlegungen und Argumente machten mich im Laufe der Jahre schließlich von einem Skeptiker zu einem dezidiert Nichtgläubigen. Die bisher zusammengetragenen Gründe, weshalb ich kein Christ sein kann und nicht sein will, kennzeichnen wesentlich meine Weltanschauung. Sie ruht auf den folgenden drei Säulen: einem naturalistischen Weltbild, einem säkularen Wertesystem und einer strikten Diesseitsorientierung.
- Welche Gemeinsamkeiten könnte es trotz aller Gegensätze zwischen atheistischen bzw. säkularen Humanisten einerseits und gläubigen Christen andererseits geben? Denn Gemeinsamkeiten verbinden und befördern das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Weltanschauung.
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Warum – so könnte man sich fragen – überhaupt diese Reihe? Ist nicht die christliche Lehre, wie Religion überhaupt, in den meisten europäischen Ländern ohnehin auf dem Rückzug? Bekanntlich verlieren die Kirchen konstant an Mitgliedern. Die Zeitpunkte sind abzusehen, an denen die Anzahl der Kirchenmitglieder in Deutschland weniger als 50, 40 oder 30 Prozent der Bevölkerung oder gar noch weniger beträgt.Warum dennoch die Beschäftigung mit Gründen und Argumenten gegen Glauben und Kirche?
Zum einen fällt bei den Gründen, die die Kirchen aktuell für den Verlust von weiteren Mitgliedern anführen, auf, dass zwar von einem Vertrauensverlust infolge der Missbrauchsskandale die Rede ist, von der Verschwendungssucht einzelner Bischöfe oder vom Unwillen, noch Kirchensteuer bezahlen zu wollen. Den Gedanken, dass es an der Lehre selbst liegen könnte, wagen sie kaum auszusprechen. Zwar hat Bischof Heinrich Bedford-Strohm seine Pfarrer ermahnt, sich mehr Mühe bei der Verkündigung der Frohen Botschaft zu geben. Aber dabei übersieht er wohl geflissentlich, dass gerade diese Botschaft vielen Menschen nichts mehr zu sagen hat. Mitgenommen wird allenfalls noch die feierliche Ästhetik von kirchlichen Hochzeiten und Beerdigungen.
Was ist es also, warum ehemals gläubige Menschen nicht mehr glauben wollen?
Ein zweiter wesentlicher Grund, sich mit der Lehre auseinanderzusetzen, folgt aus dem nach wie vor großen, aber ungerechtfertigten Einfluss, den die Kirchen auf Politik und Gesellschaft unter Bezug auf Gott und Bibel ausüben. Ein Einfluss, der sich zeigt in der Gesetzgebung – aktuelles Beispiel: Verbot der Sterbehilfe – oder im Anspruch auf staatliche Finanzierung ihrer höchsten Repräsentanten – Beispiel: Staatsleistungen aus Steuermitteln von ca. einer halben Mrd. Euro jährlich oder der – gemessen an der großen Zahl konfessionsloser und nichtgläubiger Menschen – ungerechtfertigt überproportionalen Besetzung gesellschaftlicher Schlüsselstellungen durch er-klärte Christen in Bundes- und Landesregierungen, Parteien, Medien oder obersten Gerichten.
Weite Teile der Gesellschaft wehren sich zu Recht gegen den sog. politischen Islam. Diese weltweit verbreitete Auffassung des Islam ist eine religiöse Ideologie, die beansprucht, alle Lebensbereiche konsequent unter das Diktat von Koran und Scharia zu stellen. Eine Trennung von Staat und Religion ist dieser Form des Islam völlig fremd. Unsere Gesellschaft ist nach unserer Verfassung eine säkulare, die prinzipiell die Trennung von Staat und Religion vorsieht. Tatsächlich aber gibt es eine mehr oder weniger enge Verflechtung zwischen praktisch allen Bereichen der Gesellschaft und den beiden Großkirchen.
Mit anderen Worten: Auch das Christentum ist faktisch ein »politisches Christentum«, das durch seine Anhänger – in Personalunion oft Politiker, Intendanten, Richter, Journalisten, Lehrer – direkt und indirekt Einfluss nimmt auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung. Und zwar in Form von religiös gefärbten Gesetzen und Vorschriften, ein Übermaß an religiösen Rundfunk- und Fernsehsendungen (während der über 50 Prozent humanistisch, zumindest säkular denkende Teil der Bevölkerung als nicht existent betrachtet wird und ohne Stimme bleibt), höchstrichterlichen Urteilen, die Christentum und andere Religionen begünstigen, oder etwa der Dominanz von Theologen in Ethikräten. Ganz allgemein mischen sich die Kirchen in die Alltagspolitik ein durch politisierte Kirchentage und Stellungnahmen zu jedem Thema, das ihnen geeignet erscheint, sich wie eine Partei ins Bewusstsein der Bürger als relevanter politischer Faktor zu drängen.
Was rechtfertigt eigentlich diesen politischen Anspruch der Institution Kirche?
Selbst in der nichtgläubigen Bevölkerung wird vielfach die irrige Auffassung vertreten, dass die Kirchen in hohem Maße finanziell sozial engagiert seien oder dass zum Beispiel das Christentum als Bollwerk gegen den politischen Islam und die schleichende Islamisierung unserer Gesellschaft eine wichtige Funktion habe. Und die politische Linke, früher Vorreiter einer scharfsinnigen Religionskritik, ist aus wahltaktischen und ideologischen Gründen zu einem völlig kritiklosen Kurs in Richtung Christentum und Islam umgeschwenkt.
Wie wenig die christliche Lehre intellektuell und moralisch überzeugt, diesen gesellschaftlichen und politischen Anspruch noch zu rechtfertigen, dazu soll in der nächsten Woche hier die Diskussion eröffnet werden.-
Anmerkung: Dieser Text und die folgenden der Reihe werden hier eingestellt, um auch Lesern, die Facebook nicht benutzen, die Texte dieser Reihe zugänglich zu machen. Eine Diskussion der Texte, wie sie auf Facebook vorgesehen ist, findet hier nicht statt.