Warum ich nicht glauben kann – Folge 3: Moralische Argumente

   

Argu­mente der Moral, die aus Sicht eines nicht­gläu­bi­gen Men­schen gegen die christ­li­che Lehre und viel­leicht auch gegen Gott sprechen.

Die desas­tröse Geschichte des Chris­ten­tums und der Kirche

Wenn man auf die Geschichte des Chris­ten­tums und der Kirche schaut, kommt man zunächst einmal nicht vorbei an dem ein­ma­li­gen Reich­tum an Archi­tek­tur, Male­rei, Musik und Tra­di­tio­nen, die dem Chris­ten­tum zu ver­dan­ken sind. Diese ein­ma­li­gen Werke, die im Laufe der Jahr­hun­derte ent­stan­den sind, ver­dan­ken wir der Schöp­fer­kraft gläu­bi­ger Men­schen. Ich wür­dige daher ganz aus­drück­lich das Schaf­fen dieser Men­schen, auch wenn ich davon über­zeugt bin, dass sie einer Illu­sion anhin­gen. Sie wuss­ten es damals nicht besser. Diese Men­schen schaff­ten unter großen Opfern an Gesund­heit und Leben etwas, das sie und ihre Zeit über­dau­erte und dafür gebührt ihnen Bewun­de­rung und große Aner­ken­nung. Diese Kunst diente der Ver­eh­rung eines gedach­ten Gottes, aber inzwi­schen ist das ästhe­tisch-form­voll­endet zum Aus­druck kom­mende mensch­li­che Sehnen nach gött­li­chem Halt und Trost in einer von Hunger, Leid und Krie­gen gepräg­ten Welt für mich der Grund ihrer Wert­schät­zung und Wür­di­gung. Sie haben dieser Kunst inzwi­schen eine in ihr selbst ruhende Begrün­dung ver­lie­hen. Das möchte ich aus­drück­lich anerkennen.

Meine Bewun­de­rung christ­lich-reli­giö­ser Bau­kunst, Musik und Male­rei kann mich aber nicht davon abhal­ten, gleich­zei­tig zu sehen, mit wie viel Blut die Geschichte des Chris­ten­tums und der Kirche getränkt ist. Ich will hier nur ein paar Stich­worte auf­zäh­len: Inqui­si­tion, »Hexen«verbrennungen, Ver­skla­vung von Schwarz­afri­ka­nern oder die Mis­sio­nie­rung von Latein­ame­rika. Die Inqui­si­tion wütete über 500 Jahre und war »eine der grau­sigs­ten Ter­ror­ma­schi­nen, die die Erde je gese­hen hat«, wie der Theo­loge und Phi­lo­soph Joa­chim Kahl fest­stellt. Und die sog. Hexen­ver­bren­nun­gen waren das schreck­li­che Ergeb­nis des bibli­schen Glau­bens an Teufel und Hexen, an teuf­li­sche Beses­sen­heit und Ver­füh­rung. Die Bibel for­mu­liert hier sehr ein­deu­tig, 2. Buch Mose, Kap. 22, Vers 17 »Eine Hexe sollst Du nicht am Leben lassen.« Zehn­tau­sende Frauen, ver­mut­lich noch viel mehr, wurden Opfer dieses men­schen­ver­ach­ten­den Bibel-Spruchs.

Auch die Ver­skla­vung der Mil­lio­nen Schwarz­afri­ka­ner, über­haupt die Skla­ve­rei, wird biblisch und auch päpst­lich gerecht­fer­tigt. Im Alten Tes­ta­ment for­dert Jahwe aus­drück­lich auf, die Nach­bar­völ­ker zu über­fal­len, um Skla­ven zu erbeu­ten. Der Apos­tel Paulus wie­derum ermahnt seine Gemeinde, das Skla­ven­tum gedul­dig zu ertra­gen. Und sogar im 10. Gebot, immer­hin angeb­lich von Gott selbst for­mu­liert, ist wie selbst­ver­ständ­lich von Skla­ven die Rede. Wie viel mil­lio­nen­fa­ches Leid und Ster­ben mit der Skla­ve­rei ver­bun­den war, kann kein Mensch mehr ermes­sen. Und – das möchte ich auch fragen – wie ver­trägt sich eigent­lich die elende und ver­ach­tende Behand­lung der Schwar­zen in den so christ­li­chen USA bis fast zum heu­ti­gen Tag mit der Bot­schaft der Liebe und Barmherzigkeit?

Und die blu­tige Mis­sio­nie­rung Latein­ame­ri­kas geht natür­lich auch auf die Bibel zurück. Im Mat­thäus-Evan­ge­lium heißt es bekannt­lich: »Darum gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des hei­li­gen Geis­tes usw.« Die Zahl der Men­schen, die auf­grund von biblisch-reli­giös moti­vier­ten Glau­bens­krie­gen (Kreuz­züge, 30-jäh­ri­ger Krieg), Inqui­si­tion, Hexen­ver­bren­nun­gen, Skla­ve­rei und Mis­sio­nie­rung (insbes. Latein­ame­ri­kas) ums Leben gekom­men sind, bewegt sich in der Grö­ßen­ord­nung von 20 bis 50 Mil­lio­nen. (Siehe z.B. Lexi­kon der Völkermorde!)

Von Ver­ge­bung, von Barm­her­zig­keit gegen­über dem am Glau­ben zwei­feln­den Nächs­ten, von Liebe auch dem Feind gegen­über trotz gepre­dig­ter Fein­des­liebe – keine Spur! Dabei sind doch Barm­her­zig­keit und Liebe so zen­trale Prin­zi­pien der christ­li­chen Lehre.

Viele gläu­bige Chris­ten und Ver­tre­ter der Kir­chen sehen das alles anders und haben für alles eine ent­schul­di­gende Erklä­rung. Sie spre­chen von bedau­er­li­chem mensch­li­chem Fehl­ver­hal­ten und von fal­schem Bibel­ver­ständ­nis. Über­zeu­gen werden sie einen Men­schen, der ein »nor­ma­les« sitt­li­ches Emp­fin­den auf­weist und »nor­male« mora­li­sche Maß­stäbe anlegt, nicht. Dieses Fehl­ver­hal­ten und dieses angeb­lich fal­sche Bibel­ver­ständ­nis sind für mich Hin­weise auf eine bemer­kens­werte Wir­kungs­lo­sig­keit und auch Wider­sprüch­lich­keit der in dieser Reli­gion ste­cken­den Moral.

Diese Reli­gion, diese ideo­lo­gi­sche Kon­struk­tion, bildet die Ursa­che einer unglaub­lich großen Zahl an Ver­bre­chen gegen die Mensch­heit, die stets im Namen des ange­be­te­ten Gottes erfolg­ten und die dieser angeb­lich barm­her­zige Gott doch nie ver­hin­dert hat. Auch wenn diese Reli­gion gleich­zei­tig sehr vielen Men­schen Trost, Hilfe und Lebens­sinn gege­ben hat und noch immer gibt, ist das für mich nicht im Gerings­ten ein Beleg für ihren Wahrheitsgehalt.

Ich sehe dabei gleich­zei­tig das mutige und auf­op­fe­rungs­volle Bemü­hen unzäh­li­ger Pfar­rer, Pfar­re­rin­nen und ande­rer über­zeug­ter Chris­ten, die dieser Lehre anhän­gen, dabei aber nicht selten auf die Stimme ihres Her­zens hörten und hören. Unge­zählte Men­schen, die sich auf diese Lehre bezie­hen, sind ohne Zwei­fel sozial enga­giert und prak­ti­zie­ren Nächs­ten­liebe und Barm­her­zig­keit. Was ich etwas pathe­tisch als »Stimme des Her­zens« bezeichne, ist für mich aber eher das Ergeb­nis einer bio­lo­gi­schen, sozia­len und kul­tu­rel­len Evo­lu­tion. Im Zwei­fel ließen diese Men­schen ihr Gefühl und ihre Ein­sicht spre­chen, statt den Wei­sun­gen von Bischö­fen und Päps­ten oder frag­wür­di­gen Gebo­ten hei­li­ger Texte zu folgen.

Erlö­sung von den Sünden durch ein Menschenopfer

Hier­mit spre­che ich eine der Kern­aus­sa­gen der christ­li­chen Lehre an, wenn nicht über­haupt die zen­trale Bot­schaft: Gott sendet seinen Sohn auf die Erde als Opfer, um die Sünden der Men­schen stell­ver­tre­tend zu über­neh­men. Zu diesem Zweck wird also ein Mensch gefol­tert und anschlie­ßend auf bar­ba­ri­sche Weise hin­ge­rich­tet. In der Stein­zeit hatte man Men­schen den Göt­tern und Dämo­nen geop­fert, um diese gnädig zu stim­men. Auch in spä­te­ren Zeiten hat man noch Men­schen den Göt­tern geop­fert, bevor­zugt bekannt­lich Jung­frauen und Erstgeborene.

Da muss ich doch fragen: Eine solche bar­ba­ri­sche Hand­lungs­weise, die mich an fins­terste Mensch­heits-Epo­chen gemahnt, soll ich noch heute als Ange­bot anneh­men? Als Zei­chen der »Liebe Gottes zu mir«? Ich habe mich immer wieder gefragt: Fällt einer all­mäch­ti­gen, all­wis­sen­den und uns so unend­lich über­le­gen schei­nen­den Gott­heit nichts ande­res ein als eine Hin­rich­tung grau­sams­ter Art? Eine Hin­rich­tung, um diesen angeb­lich not­wen­di­gen Aus­gleich zwi­schen Schuld und Sühne her­bei­zu­füh­ren? Warum bringt Gott, Schöp­fer allen Seins, angeb­lich Inbe­griff unend­li­cher Liebe, nicht die Größe auf, mit ihm ange­mes­se­ner Gnade zu reagie­ren und zum Bei­spiel ein­fach Ver­ge­bung zu gewähren?

Es ist für mich unfass­bar: Das Chris­ten­tum ist eine Reli­gion, die eine als Opfer ver­brämte Hin­rich­tung als Beweis der Liebe Gottes zu den Men­schen ver­herr­licht. Ich emp­finde das als eine intel­lek­tu­elle und mora­li­sche Zumu­tung ersten Ranges. Für mich ist das abso­lut unannehmbar!

Christ­li­che Lehre ohne Auf­klä­rung wäre mittelalterlich

Nicht nur ich, auch viele andere Men­schen stel­len fest: Die uns heute wich­ti­gen Werte und Normen stam­men gerade nicht aus der Bibel, sie sind das Ergeb­nis einer mora­lisch-ethi­schen Weiterentwicklung.

Wel­ches sind die uns heute wich­ti­gen Werte und Normen? Es sind dies wesent­lich die Men­schen­rechte wie Mei­nungs­frei­heit als gera­dezu grund­le­gen­des Recht, das Recht auf Selbst­be­stim­mung, Gleich­heit, Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau, Reli­gi­ons- und Wis­sen­schafts­frei­heit, Rechts­staat­lich­keit und vieles andere mehr. Nichts davon findet sich in der Bibel. Die bibli­schen Werte stehen einem demo­kra­ti­schen, die Men­schen­rechte ver­bür­gen­den Staat gera­dezu entgegen.

Denn alle diese eben genann­ten Rechte muss­ten dem Chris­ten­tum bezie­hungs­weise einer poli­tisch agie­ren­den Kirche in ver­lust­rei­chen Kämp­fen abge­trotzt werden. Ich möchte fol­gen­des fragen: Warum stei­ni­gen wir heute Ehe­bre­che­rin­nen nicht mehr? Warum töten wir Homo­se­xu­elle nicht mehr? Warum werden in christ­li­chen Län­dern keine Skla­ven mehr gekauft und gehal­ten? Im Alten Tes­ta­ment sind Stei­ni­gun­gen und das Töten von Homo­se­xu­el­len vor­ge­schrie­ben, das Halten von Skla­ven zumin­dest wie selbst­ver­ständ­lich erlaubt. Das Neue Tes­ta­ment nimmt expli­zit dazu keine Stel­lung. Zwar sagt Jesus ange­sichts einer Stei­ni­gung die bekann­ten Worte: »Wer ohne Schuld ist, der hebe den ersten Stein«. Dabei han­delt es sich aller­dings nach­weis­lich um einen später der Bibel hin­zu­ge­füg­ten Text. M.a.W.: Im Prin­zip sind diese genann­ten amo­ra­li­schen Ver­hal­tens­wei­sen aus bibli­scher Sicht nach wie vor zulässig!

Selbst­ver­ständ­lich lehnen selbst Chris­ten heute die Stei­ni­gung von Ehe­bre­che­rin­nen, das Töten von Homo­se­xu­el­len oder das Halten von Skla­ven strikt ab. Aber nun kommt mein »aber«. Die Kri­te­rien, nach denen selbst Chris­ten heute die Stei­ni­gung von Ehe­bre­che­rin­nen, das Töten von Homo­se­xu­el­len oder das Halten von Skla­ven strikt ableh­nen, stam­men gerade nicht aus der Bibel. Sie sind ein Ergeb­nis der auf Ver­nunft grün­den­den Aufklärung.

Ich will damit sagen, dass die Kirche mora­lisch immer noch im Mit­tel­al­ter stehen würde, hätte sie sich nicht den For­de­run­gen der Auf­klä­rung beugen müssen. Zwar hat die Kirche im Nach­hin­ein eine ganze Reihe von Bibel­stel­len her­an­ge­zo­gen – von der Nächs­ten­liebe bis hin zu toll­küh­nen Umin­ter­pre­ta­tio­nen von eigent­lich sehr ein­deu­ti­gen Bibel­stel­len, um sich aus der Klemme zu winden. Bei sol­chen ver­we­ge­nen Umin­ter­pre­ta­tio­nen denke ich ins­be­son­dere an das Tötungs­ge­bot von Homo­se­xu­el­len. Im Alten Tes­ta­ment wird die Todes­strafe für Homo­se­xua­li­tät gefor­dert. Aber auch im Neuen Tes­ta­ment nennt Apos­tel Paulus Homo­se­xua­li­tät ein todes­wür­di­ges Verbrechen.

Die evan­ge­li­sche Kirche prak­ti­ziert in puncto Homo­se­xua­li­tät heute das Gegen­teil dessen, was die Bibel sehr ein­deu­tig for­dert. Was selbst­ver­ständ­lich nur zu begrü­ßen ist! Nur ist es nicht in Ein­klang zu brin­gen mit den doch ver­bind­li­chen Aus­sa­gen der »Hei­li­gen Schrift«. Über­zeu­gen kann die Kirche mit sol­chen  oft will­kür­lich erschei­nen­den »neuen Sicht­wei­sen« einen Nicht­chris­ten wie mich damit nicht. Es ist für mich der hilf­lose Ver­such, Texte zu retten, die nicht mehr zu retten sind.

Man könnte ein­wen­den, dass die Bibel­texte immer wieder neu inter­pre­tiert werden müssen. In vielen Fällen mag das gehen. Es gibt aber zen­trale Texte, die nur um den Preis einer ein­deu­ti­gen Ver­fäl­schung modern gedeu­tet werden können. Ganz ähn­li­che Pro­bleme hat der ortho­doxe Islam, der in dieser Hin­sicht noch voll­stän­dig dem Mit­tel­al­ter ver­haf­tet ist.

Ich halte also fest: Ohne diesen Moder­ni­sie­rungs­schub infolge der Auf­klä­rung stünde die christ­li­che Lehre dort, wo heute der Islam immer noch verharrt.

Das letzte mora­li­sche Argu­ment, das ich anfüh­ren möchte als Begrün­dung, wes­we­gen ich kein Christ bin, ist mit dem Stich­wort Theo­di­zee gekenn­zeich­net. Ich zögere ein wenig, diesen Punkt seiner schein­ba­ren Abge­dro­schen­heit hier noch zu erwäh­nen. Aber die Theo­di­zee ist und bleibt eines der stärks­ten Argu­mente bei der Frage nach der Exis­tenz eines all­mäch­ti­gen und barm­her­zi­gen Gottes.

Die Theo­di­zee: Gott ist nicht barmherzig

An der Theo­di­zee, also an der Recht­fer­ti­gung Gottes, haben sich schon ganze Heer­scha­ren von Theo­lo­gen und Phi­lo­so­phen die Zähne aus­ge­bis­sen. Die alle bewe­gende Frage lautet bekannt­lich: Warum lässt Gott, der angeb­lich die Liebe und die Barm­her­zig­keit ver­kör­pert, das unglaub­li­che Elend auf der Welt zu?

Dem grie­chi­schen Phi­lo­so­phen EPIKUR (341−271 v.u.Z.) wird zuge­schrie­ben, diese all­ge­meine Gottes-Pro­ble­ma­tik etwa wie folgt logisch struk­tu­riert und for­mu­liert zu haben

- Ist Gott wil­lens, aber nicht fähig, das Übel zu  ver­hin­dern? Dann ist er nicht allmächtig!

- Ist er fähig, aber nicht wil­lens, das Übel zu ver­hin­dern? Dann ist er nicht allgütig!

- Ist er jedoch sowohl fähig als auch wil­lens, das Übel zu ver­hin­dern? Woher kommt dann das Übel in der Welt?

Denken wir z.B. an den Holo­caust mit seinen etwa fünf bis sechs Mil­lio­nen Toten. Gott ließ die Ermor­dung eines großen Teils seines »aus­er­wähl­ten Volkes« zu, eines Volkes, mit dem er laut Bibel sogar einen Bund geschlos­sen hatte. Hat also Gott der Ermor­dung der Juden nur inter­es­siert zuge­schaut oder war er gar nicht in der Lage einzugreifen?

An dieser Stelle kommt als Argu­ment dann immer, dass hier Men­schen mit ihrem – angeb­lich – freien Willen sich ver­sün­digt hätten. Da Gott die Men­schen nicht als Mario­net­ten ansieht, lässt er sie gewäh­ren. Ein über­zeu­gen­des Argu­ment ist das nicht. Ent­las­tet man doch Gott als Schöp­fer des Men­schen mit seinem Fehl­ver­hal­ten, schiebt aber die Schuld diesen so geschaf­fe­nen Men­schen zu.

Betrach­ten wir daher andere Übel: Denken wir an Erd­be­ben, Sturm­flu­ten und Tsu­na­mis oder Kata­stro­phen wie Dürren oder Epi­de­mien. Sie kosten immer wieder Hun­dert­tau­sen­den Men­schen das Leben. Unter­schieds­los rafft es Kinder und Erwach­sene, Gerechte und Unge­rechte, Arme und Reiche dahin. Das beliebte Argu­ment, dass der freie Wille des Men­schen das Böse ver­ur­sa­che, greift hier also nicht. Diese Natur­ge­wal­ten sind nicht durch Men­schen veranlasst.

Ich will das nicht ver­tie­fen, die Pro­ble­ma­tik ist uns allen bekannt. Was mich inter­es­siert, ist die Frage, was sagen eigent­lich die höchs­ten Reprä­sen­tan­ten der beiden großen Kir­chen zu diesem Problem?

Alt­bi­schof Huber schreibt in seinem Buch »Der christ­li­che Glaube«: »Eine abschlie­ßende Ant­wort auf die Theo­di­ze­efrage kann es nicht geben. Die Prä­senz des Übels bleibt das Rätsel jeder Gegen­wart.« Das ist immer­hin ein ehr­li­ches Eingeständnis.

Kar­di­nal Ratz­in­ger besuchte als Papst Bene­dikt XVI. im Jahr 2006 Ausch­witz und rich­tete dort an Gott die Worte: »Warum hast du geschwie­gen? Warum konn­test du dies alles dulden?« Auch er resi­gniert und stellt in seinem Buch »Ein­füh­rung in das Chris­ten­tum« fest, »dass es aus christ­li­cher Sicht auf die Theo­di­zee keine direkte Ant­wort gebe«. Statt­des­sen ver­weist er auf die »gött­li­che Gnade und Weis­heit«, die – wie er for­mu­liert – »erst am Ende aller Tage offen­bar würde«. Auch Papst Bene­dikt kapi­tu­liert also vor dieser Frage.

Ich denke, dass zu dieser Kapi­tu­la­tion eigent­lich kein Grund besteht. Denn die ein­zige den Ver­stand befrie­di­gende Ant­wort auf die Theo­di­zee ist eigent­lich ganz ein­fach. Logik und Erfah­rung sagen uns, dass sich die angeb­li­che All­mäch­tig­keit und Barm­her­zig­keit Gottes mit der Exis­tenz des gren­zen­lo­sen Leids auf der Erde nicht ver­ein­ba­ren lassen. Die Schluss­fol­ge­rung lautet für mich somit: Diesen Gott mit den ihm zuge­schrie­be­nen Eigen­schaf­ten all­mäch­tig, all­wis­send und zugleich all­gü­tig kann es ganz offen­sicht­lich nicht geben. Nicht umsonst gilt die Theo­di­zee als der »Fels des Athe­is­mus« (Georg Büch­ner, 1813–1837, in Dan­tons Tod).

Da phy­si­sches und mora­li­sches Übel zwei­fel­los in der Welt in für mensch­li­che Maß­stäbe unfass­ba­rer Größe exis­tie­ren, bleibt als logi­sche Kon­se­quenz nur anzu­neh­men, dass Gott ent­we­der nicht all­mäch­tig ist oder nicht all­gü­tig oder sich für die Welt und ihre Men­schen nicht inter­es­siert, also nicht wil­lens ist, das Übel und das Böse zu ver­hin­dern. Was Men­schen im christ­lich-abend­län­di­schen Bereich früher kaum zu denken wagten, dürfte den­noch die logisch befrie­di­gendste Lösungs­va­ri­ante dar­stel­len: dass es näm­lich diesen christ­li­chen »Gott der Güte und der Liebe« nicht gibt.

*

Sys­te­ma­ti­scher und gründ­li­cher werden diese und viele wei­tere Fragen zu Chris­ten­tum und Reli­gion behan­delt in dem Buch »Warum ich kein Christ sein will – Mein Weg vom christ­li­chen Glau­ben zu einer natu­ra­lis­tisch-huma­nis­ti­schen Welt­an­schau­ung«. Tectum Wis­sen­schafts­ver­lag, 2018, 7. voll­stän­dig über­ar­bei­tete Auf­lage. Spe­zi­ell zu obigem Bei­trag finden sich Aus­füh­run­gen in Kapi­tel III,3 und in Kapi­tel V,2 und 3.

Mehr zum Buch über den Buch­ver­sen­der Amazon. Siehe dort den Ein­füh­rungs­text und die Buch­kri­ti­ken. Kauf mit­un­ter schnel­ler über den Buch­han­del – Lie­fer­zeit ein oder zwei Tage

Aus­führ­li­cher führt die vor­lie­gende Inter­net­seite https://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/ in das Buch ein, u.a. mit Lese­pro­ben, Lesun­gen und Inter­views mit mir.

Die Texte hier dürfen unter Angabe der Quelle gern kopiert oder auch ver­linkt werden.

Dis­kus­si­ons­bei­träge bitte auf meiner Face­book­seite zu dieser Folge 3 ein­stel­len! Da die Texte dieser Dis­kus­si­ons­reihe zwei, drei Tage später auch auf den Seiten der Richard-Daw­kins-Foun­da­tion ver­öf­fent­licht werden, können auch dort Dis­kus­si­ons­bei­träge ein­ge­stellt werden.